À rebours
2008
1-Kanal-Videoprojektion
34:43:50 Std.


Mit Joris-Karl Huysmans’ Gegen den Strich (1884) hat Matthias Meyer erstmals einen reinen Textfilm konzipiert, bei dem die einzelnen Buchstaben des Romans in der Mitte des Bildes nacheinander ablaufen. Das Buch wird in der französischen Originalfassung quasi buchstabiert, sodass es trotzdem lesbar bleibt. Die Dauer der Projektion übersteigt natürlich die Aufmerksamkeit des Betrachters; Langsamkeit spielt bei Huysmans jedoch eine wichtige Rolle: Der dekadente, aristokratische Protagonist Jean Floressas Des Esseintes führt an liebsten seine mit Juwelen besetzte Schildkröte spazieren. Im Gegensatz zum Roman, der eine wortgewaltige Innenschau in die künstliche Welt von Des Esseintes ist, der immer neue sinnliche Reize erfindet, um der Langeweile der Wirklichkeit zu entfliehen, ist Meyers Film eine minimalistische Versuchsanordnung, die sämtliche filmische Mittel zugunsten der Sprache negiert. Die Reduktion von Atmosphäre auf die Buchstaben des Alphabets bedeutet aber nicht das Verschwinden des Romans, sondern seine Übertragung in eine formale Struktur, in welcher der unabschließbare Prozess der subjektiven Wahrnehmung an die Stelle eindeutiger Informationsvermittlung tritt. Doch es geht Matthias Meyer nicht nur darum, die Syntax des Films in seine Bestandteile zu zerlegen oder in der exponierten Präsentation einzelner semantischer Schichten ein größeres Ganzes zu evozieren, das in der kine-matografischen oder literarischen Referenz selbst nur fragmentarisch formuliert ist. Der Prozess der Dekomposition bringt seinerseits Werke hervor, die auf klar benennbaren Strukturen basieren, als solche jedoch rätselhaft bleiben.

............................................Vanessa Joan Müller (Non plus d’histoire(s)…, Auszug)

À rebours, 2008 (Ausschnitt)
.

Ausstellungsansicht Galerie Eva Winkeler (À rebours und A Museum of its Memory)
.